Jeder Einzelne entscheidet

Was ist das Positive an unserer Zeit?

Dialog von Anthroposophie, Sufitum und Rosenkreuz

Symposium Birnbach, 29.04.2012 der Stiftung Rosenkreuz

 

Vortrag von Firos Holterman ten Hove

Jeder Einzelne entscheidet

Hazrat Inayat Khan

Als Repräsentant des internationalen Sufiordens fiel mir die Ehre zu, ein Referat zu der aufgeworfenen Fragestellung aus der Sicht der Sufis beizutragen.

 

Da könnte man erwarten, mal etwas völlig anderes zu hören, etwas neues, etwas exotisches. Nun ist es aber so, dass Hazrat Inayat Khan, der große Sufimeister und Gründer unseres Ordens, immer klargestellt hat, dass Sufismus keine neue Lehre ist:

 

„Die Sufi Botschaft kommt nicht mit Theorien oder Doktrinen und fügt keine neue zu den bereits existierenden hinzu. Der menschliche Verstand ist schon genug durcheinander. Was die Welt heute braucht, ist die Botschaft von Liebe, Harmonie und Schönheit. Das Fehlen davon macht die einzige Tragödie im Leben aus. Die Sufi Botschaft bringt kein neues Gesetz; sie weckt in der Menschheit den Geist der Bruderschaft, mit Toleranz von jedem für die Religion des anderen“.

 

Was kann also der Sufi Beitrag zum Symposium sein?

Nun, lass mich damit anfangen, fest zu stellen, dass ein Symposium wie das heutige exakt diesen Geist der Bruderschaft wiederspiegelt, wozu der Meister auffordert. So gesehen handeln die Rosenkreuzer, die eingeladen haben, im Geist der Sufi Botschaft. Und so beantworten die Veranstalter sogleich selber die Frage, was das Positive in unserer Zeit sei.

 

Es gibt aber bestimmt auch Unterschiede zwischen Rosenkreuzern, Anthroposophen und Sufis. Auf jeden Fall gibt es Unterschiede zwischen den heutigen drei Vertretern dieser modernen esoterischen Schulen. Das wird Ihnen sofort auffallen und das wussten Sie eigentlich auch schon. Wie sollten Sie nun die Schulen vergleichen? Wie sollten Sie entscheiden, welche der bessere ist?

Hazrat Inayat Khan erzählt hierzu folgendes Erlebnis auf seinen ausgedehnten Reisen:

 

„In Birma gibt es Buddhisten einer wunderbarer Art. Es ist das einzige Volk, das über die Jahrhunderte geglaubt hat, dass es keine Religion gibt, die nicht genau so gut ist wie seine eigene. Stellen Sie sich das heute mal vor, wo die Anhänger von den meisten Religionen auf die Anhänger von anderen Religionen herabschauen! Diese Leute sagen: „was auch immer die Religion sei, Christlich, Muslim, Jüdisch, sie ist nicht schlechter als unsere. Vielleicht sogar besser.“

 

Also, die Buddhisten gewinnen das Rennen. Schade, dass heute nicht ein Vertreter mit am Tisch sitzt. Oder auch, es geht gar nicht darum, dass irgendeine Religion der bessere sei. Die Sufis sagen, dass das einzige, was ein Wert hat, das Finden der eigenen Religion ist. Und einen noch größeren Wert hat das Praktizieren der eigenen Religion.

 

Wie findet man denn die eigene Religiosität? Mit dieser Frage landen wir bei einem weiteren positiven Aspekt unserer Zeit: noch nie zuvor war die Freiheit, den eigenen spirituellen Weg zu wählen, die zu uns passt, so groß. Zumindest in unserer westlichen Welt. Und auch der Freiheitsdrang, nur das zu wählen, das einem liegt, war noch nie so groß. Wiederum ein positiver Aspekt unserer Zeit.

 

Wir müssen wahrscheinlich nicht darüber streiten, dass wir in einer Zeit leben, worin alle Werte über Bord geschmissen werden, worin die Menschheit in seiner Habgier sogar seine eigene Lebensgrundlage gefährdet. Das Fantastische so einer Zeit ist, so sagen die Sufis, dass dann der Messias erscheint, ein Prophet, der das Blatt wendet und die Menschheit auf den rechten Weg bringt. In Laufe der Menschheitsgeschichte hat es in verschiedenen Kulturen immer wieder solche Umbrüche gegeben. Und dann ist ein Heiland geboren, der Gottes Botschaft verkündet hat. Dieses Phänomen nennen die Sufis den Geist der Führung.

 

Alpha und Omega

Hazrat Inayat Khan sagt dazu:

„Alle Meister von Adam bis Mohammed waren eine Verkörperung des Meister-Ideals. Wenn Jesus Christus zitiert wird mit den Worten: „Ich bin das Alpha und das Omega, der Anfang und das Ende“, dann wird damit nicht gemeint, das der Name, oder die sichtbare Gestalt von Jesus Christus das Alpha und Omega ist, sonder der Meister-Geist in ihm. Es ist dieser Geist, der das proklamiert, dazu gebracht durch seine Realisierung aus früheren, heutigen und zukünftigen Leben, überzeugt von seiner Ewigkeit. Es ist der gleiche Geist der durch Krishna sprach mit den Worten: „Wir erscheinen auf Erden wenn Dharma in Verfall ist“. Dies war lange bevor Christus kam. Während seinem Aufgehen in Gott sagte Mohammed: „Ich existierte sogar vor dieser Schöpfung und wird auch nach ihrer Assimilation bleiben.“

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